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Franz Dinghofer

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Franz Dinghofer, vermutlich bei seinem Amtsantritt als Bürgermeister von Linz, 1907

Franz Seraph Dinghofer (* 6. April 1873 in Ottensheim, Mühlviertel[1]; † 12. Jänner 1956 in Wien) war ein österreichischer Richter und deutschnationaler Politiker (DnP bzw. GDVP) zur Zeit des Ersten Weltkriegs und der Zwischenkriegszeit.

Als Präsident der Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich war er im November 1918 an der Beschlussfassung über die Gründung der Republik Deutschösterreich beteiligt. Den Beschluss verkündete er anschließend gemeinsam mit Karl Seitz vom Balkon des Parlamentsgebäudes.

In der Ersten Republik hatte er anschließend mehrere hohe politische Ämter inne, unter anderem als Dritter Nationalratspräsident (1920–1926), Vizekanzler (1926–1927) und Justizminister (1926–1928).

Nach seinem Rückzug aus der Politik war er von 1928 bis 1938 Präsident des Obersten Gerichtshofes. Dinghofer war bekennender Antisemit und ab Juli 1940 NSDAP-Parteimitglied.[2]

Leben und Wirken

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Aus einer bereits lange im oberösterreichischen Ottensheim ansässigen Familie stammend – Vater und Großvater waren beide Postmeister und Gastwirte in der Gemeinde –,[3] besuchte er ab 1879 die örtliche Volksschule.[3] Danach wechselte er 1884 ins Gymnasium Freistadt,[3] wo er 1892 maturierte, worauf er ein Jusstudium an der Universität Graz absolvierte. Im Oktober 1892 wurde er Mitglied des Vereins Oberösterreichischer und Salzburger Studenten Graz im Waidhofener Verband (der späteren Burschenschaft Ostmark Graz), der er lebenslang als Alter Herr verbunden blieb.[4][5] Er wurde 1897 zum Dr. jur. promoviert. 1899 heiratete er die Linzerin Cäcilia Meindl, Besitzerin des „Schöllergutes“ in Linz Waldegg Nr. 57,[6] mit der er einen Sohn und zwei Töchter hatte.

Nach der Gerichtspraxis beim Landesgericht Linz wurde Dinghofer 1898 Auskultant beim Landesgericht Wien, 1899 Gerichtsadjunkt beim Landesgericht Linz bzw. ab 1901 beim Bezirksgericht Urfahr und im Juni 1902 Richter für Zivil- und Strafsachen beim Bezirksgericht in Urfahr.[6] Als Vertreter der Deutschnationalen gehörte er von 1901 bis 1918 dem Gemeinderat von Linz an, wo er Obmann-Stellvertreter der Rechts- und Finanzsektion war.[7]

Ab 1905 war er Vizebürgermeister und von 1907 bis 1918 Bürgermeister von Linz. Dinghofer war nicht nur der jüngste Bürgermeister einer Stadt mit eigenem Statut in Cisleithanien, sondern auch das jüngste gewählte Stadtoberhaupt von Linz seit dem Bestehen einer freien Gemeinde. Als Bürgermeister war er Gründer der ersten Schrebergärten in Österreich, in seiner Amtszeit wurde St. Peter eingemeindet. Weiters wurden Grün- und Erholungsflächen ausgestaltet. Dinghofer betrieb aktive Verkehrspolitik und trat für den Ausbau des Eisenbahnnetzes ein.[8] Weiters wurde das Gaswerk kommunalisiert[9] und es wurden städtische Milch- und Fleischverkaufsstellen eingerichtet, um der Teuerung entgegenzusteuern.[10] Arbeiterwohnungen wurden gebaut, Wohnungsgesellschaften gegründet. Weiters wurde das Städtische Jugendamt für durch die Kriegsfolgen verwahrloste junge Menschen errichtet. Die moderne Forschung betont, dass Dinghofer diese Reformen auch im Sinne eines ausgeprägt deutschnationalen Selbstverständnisses zur politischen Profilierung nutzte.[11]

Von 1911 bis zur Auflösung Österreich-Ungarns 1918 war er Reichsratsabgeordneter in der Fraktion des Deutschen Nationalverbands. Dinghofer war Begründer des Deutschen Volksbundes. Er bezeichnete sich selbst als Antisemiten und trat für den „Auszug“ der jüdischen Bevölkerung ein.[12] Da Linz während des Ersten Weltkrieges zu den bestversorgten Städten der Monarchie gehörte,[13] weil unter Dinghofer das Lebensmittelamt gegründet und 1914 Brot- und Mehlkarten eingeführt worden waren, wurde man in Wien auf ihn aufmerksam und bot ihm 1917 den Posten des k.k. Ernährungsministers an, den Dinghofer jedoch ausschlug.[13]

Alle deutschen Reichsratsabgeordneten, so auch Dinghofer, wurden beim Zerfall des Vielvölkerstaats im Oktober 1918 Mitglieder der Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich, die bis Februar 1919 tagte. Dinghofer wurde von ihr in der Eröffnungssitzung am 21. Oktober 1918 neben dem Christsozialen Jodok Fink und dem Sozialdemokraten Karl Seitz zu einem ihrer drei gleichberechtigten Präsidenten gewählt. Innerhalb des 20-köpfigen Vollzugsausschusses der Nationalversammlung – dem Staatsrat – führte Dinghofer den Vorsitz in der für innere Verwaltung und Verfassung zuständigen Gruppe II. Er hatte am 12. November 1918 den Vorsitz in der Nationalversammlung, als diese auf Antrag des Staatsrates die republikanische Staatsform und die Zugehörigkeit zur deutschen Republik beschloss, und erklärte nach der Abstimmung über die Vorlage: einstimmig angenommen. Als amtierender Präsident verkündete er dann, von seinem sozialdemokratischen Präsidentenkollegen Seitz begleitet, von der Balustrade des Parlamentsgebäudes aus der tausende Menschen zählenden Volksmenge die Entscheidung: „Deutschösterreich ist eine Republik“.[14]

Ab November 1918 gehörte Dinghofer auch der provisorischen Landesversammlung für Oberösterreich an, im Juni 1919 wurde er in den Landtag gewählt. Er wurde am 16. Februar 1919 in die Konstituierende Nationalversammlung gewählt, konnte aber krankheitsbedingt an der Eröffnungssitzung vom 4. März und der Präsidentenwahl vom 5. März nicht teilnehmen, weshalb seine Wahl zum Dritten Präsidenten erst am 12. März 1919 stattfand. Um die Zersplitterung der deutschnationalen und deutschfreiheitlichen Abgeordneten zu überwinden, initiierte Dinghofer 1919 die Großdeutsche Vereinigung, aus der 1920 die deutschnational und antisemitisch gesinnte Großdeutsche Volkspartei hervorging. Die Bedingungen des Vertrags von Saint-Germain lehnte er ab, insbesondere das Verbot einer Vereinigung mit dem Deutschen Reich, und forderte eine Revision des Vertrags sowie eine Volksabstimmung über den Anschluss. In der Nationalversammlung, mit dem Inkrafttreten des Bundes-Verfassungsgesetzes am 10. November 1920 nachfolgenden, am 17. Oktober 1920 neu gewählten Nationalrat wurde er für die I. Gesetzgebungsperiode zum Dritten Präsidenten gewählt, ebenso für die am 20. November 1923 begonnene II. Gesetzgebungsperiode.

Ab 1924 war er Vorsitzender Rat beim Oberlandesgericht Wien. Dinghofer hatte eine Führungsrolle im antisemitischen und antisozialistischen Geheimbund Deutsche Gemeinschaft inne.[15]

Am 20. Oktober 1926 trat er als Dritter Präsident des Nationalrates in Hinblick auf seine Aufnahme in die Bundesregierung zurück. In der Regierung Ignaz Seipels war er von 20. Oktober 1926 bis 19. Mai 1927 Vizekanzler, danach Bundesminister im Bundeskanzleramt und von 1927 bis 1928 Bundesminister für Justiz. Infolge der Affäre Béla Kun trat Dinghofer am 4. Juli 1928 als Justizminister ab und zog sich aus der Politik zurück.[16]

Dinghofer kehrte noch 1928 zu seinem Beruf zurück, übersiedelte im Jahre 1929 in die Bundeshauptstadt (1. Bezirk, Uraniastraße 4)[17] und war insgesamt zehn Jahre lang Präsident des Obersten Gerichtshofes, bis er am 11. Mai 1938 wegen Erreichens der Altersgrenze von 65 Jahren den Ruhestand antrat.

1938 soll es im Bereich des Schöllerguts an der heutigen Linzer Hanuschstraße, das seine inzwischen verstorbene Gattin in die Ehe eingebracht hatte, zu Enteignungen gekommen sein.[18] Als Ersatz dafür kaufte sich Dinghofer im Jahr 1940 die Villa Sarsteiner in Bad Ischl, Bauerstraße 11.[18] Außerdem war er an der Arisierung des oberösterreichischen Bergbaubetriebes Kamig beteiligt.[15]

Das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) und das Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus legten am 14. März 2019 nach Recherchen beim deutschen Bundesarchiv in Berlin Belege vor, wonach Franz Dinghofer am 18. April 1940 die Aufnahme in die NSDAP beantragte und zum 1. Juli desselben Jahres aufgenommen wurde (Mitgliedsnummer 8.450.902).[19][20][21]

Das Grab von Franz Dinghofer und seiner Ehefrau Cäcilie geborene Meindl im Familiengrab auf dem St. Barbara-Friedhof in Linz

Dinghofers Familie lebte bis 1945 in Wien, nach Kriegsende in Bad Ischl. Franz Dinghofer trat 1953 noch dem VdU als einfaches Mitglied bei,[22] verstarb im 83. Lebensjahr am 12. Jänner 1956 und wurde auf dem St.-Barbara-Friedhof in Linz (Sektion 15, Gruft) beigesetzt.

Nachwirkung und Rezeption

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Zeitgenössische Wahrnehmung

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In der Zwischenkriegszeit galt Dinghofer vor allem als einer der Mitgründer der Republik und als Vertreter eines konservativen, deutschnationalen Bürgertums. Seine Rolle als Vorsitzender der Provisorischen Nationalversammlung am 12. November 1918 führte dazu, dass er in der öffentlichen Erinnerung häufig – teils irreführend – als „Ausrufer der Republik“ bezeichnet wurde. Diese Deutung wurde bereits von der Forschung relativiert, da die Republik nicht ausgerufen, sondern durch die Nationalversammlung beschlossen wurde.[23]

Nach 1945 spielte Dinghofer in der politischen Erinnerung zunächst kaum eine Rolle. Erst in den 2000er-Jahren wurde er – vor allem von der FPÖ – wieder verstärkt als historische Identifikationsfigur herangezogen.

Neuere historische Bewertung

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Die wesentlichen biografischen Erkenntnisse über Franz Dinghofer basieren bis heute auf den Forschungen von Fritz Mayrhofer, der 1968 seine Dissertation über Dinghofer vorlegte und später weitere Beiträge veröffentlichte.[24] Ergänzt wurden diese Arbeiten durch den oberösterreichischen Zeithistoriker Harry Slapnicka, der Dinghofer in seinen landesgeschichtlichen Darstellungen von 1987 und 2010 behandelte.[25]

Eine umfassende Neubewertung erfolgte erst 2019 durch Walter Schuster im Rahmen einer Studie des Archivs der Stadt Linz, die Dinghofer als Vertreter eines deutschnationalen und antisemitischen politischen Milieus einordnet.[26]

Schuster betont, dass Dinghofers politische Haltung von einem ausgeprägt deutschnationalen und antisemitischen Weltbild geprägt war. Seine Rede von 1903, in der er sich im Linzer Gemeinderat ausdrücklich als „Antisemit“ bezeichnete, wird als Ausdruck dieser Überzeugung interpretiert. Schuster weist jedoch auch darauf hin, dass Dinghofer seine „radikalen Anschauungen“ später teilweise relativierte.[27]

Die Studie ordnet Dinghofer als typischen Vertreter eines bürgerlich-nationalistischen Milieus ein, das den Übergang vom völkischen Denken zum Nationalsozialismus ideologisch vorbereitete. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP ab Juli 1940 gilt in diesem Zusammenhang als konsequente Fortsetzung seiner früheren Weltanschauung.[28] Nach 1945 trat er dem Verband der Unabhängigen (VdU) bei, der als politischer Vorläufer der FPÖ gilt, blieb dort aber ohne politische Aktivität.[29]

Auch die Zeithistoriker Klaus Taschwer, Linda Erker und Andreas Huber weisen in ihrer Studie Der Deutsche Klub. Austro-Nazis in der Hofburg (2020) auf Dinghofers Führungsrolle in der antisemitischen und antisozialistischen Deutschen Gemeinschaft hin und ordnen ihn als Wegbereiter des autoritären und nationalsozialistischen Denkens ein.[15]

Die Forschung sieht Dinghofer heute als ambivalente Figur der österreichischen Zeitgeschichte: einerseits Mitgestalter der Republikgründung, andererseits Vertreter eines deutschnationalen und antisemitischen Weltbildes, das ideologisch in die NS-Zeit überleitete. Die Darstellung Dinghofers als republikanischen „Baumeister“ gilt daher als überholt und wird zunehmend durch eine kritischere historiografische Sicht ersetzt.[30]

Politische Instrumentalisierung und öffentliche Debatte

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Anlässlich des 92. Jahrestages der Gründung der Republik Österreich fand 2010 im Parlament ein Symposium zu Ehren Dinghofers statt, initiiert vom damaligen Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ). Im Umfeld wurde das Dinghofer-Institut gegründet, das sich nach eigenen Angaben der Forschung und Lehre in den Bereichen Recht, Ethik und Politik widmet.[31]

Die öffentliche Ehrung Dinghofers stieß auf Kritik, insbesondere von Historikern und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) bezeichnete die Darstellung Dinghofers als „Baumeister der Republik“ als Geschichtsfälschung und wies auf seine NSDAP-Mitgliedschaft hin.[21] Auch die Linzer Grünen forderten daraufhin eine kritische Kontextualisierung oder Umbenennung der Linzer Dinghoferstraße.[32]

Die ORF-Dokumentation Baumeister der Republik – Franz Dinghofer (2019) wurde dafür kritisiert, Dinghofer unkritisch zu würdigen und seine Nähe zum Nationalsozialismus zu verschweigen.[33]

Dinghofer-Symposium 2010

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Am 12. November 2010 fand im Parlament ein vom Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ) organisiertes Symposium unter dem Titel Das Leben und Wirken des Dr. Franz Seraph Dinghofer statt. Die Veranstaltung wurde vom FPÖ-nahen Dinghofer-Institut ausgerichtet und war die einzige, deren Aufzeichnung auf FPÖ-TV bzw. YouTube veröffentlicht wurde. Spätere Symposien wurden nicht mehr dokumentiert.[34]

Moderiert wurde die Veranstaltung von Christian Neschwara (Universität Wien).

Zu den Vortragenden zählten Lothar Höbelt, Hans Achatz, Harald Ofner und Wilhelm Brauneder.

Die Redebeiträge zeichneten ein geschlossen positives Bild Dinghofers und blendeten seine antisemitischen Äußerungen sowie seine spätere NSDAP-Mitgliedschaft vollständig aus.

  • Wilhelm Brauneder, früherer Nationalratspräsident (FPÖ), sprach über Dinghofer „als Staatsmann“ und relativierte in seinem Vortrag antisemitische und antidemokratische Tendenzen der Zwischenkriegszeit als „zeittypisch“. Er bezeichnete den sozialdemokratischen Aufstand von 1918 als „Kommunistenputsch“ und zitierte zustimmend einen Schriftsteller, der die „rote Garde“ als „jüdisch-dogmatisch“ beschrieb, ohne sich von dieser antisemitischen Formulierung zu distanzieren.
  • Harald Ofner, ehemaliger Justizminister (FPÖ), ordnete Dinghofer in eine Traditionslinie von Justizministern des „national-liberalen“ bzw. „freiheitlichen“ Lagers ein und stellte eine Verbindung vom Verband der Unabhängigen (VDU) bis zur heutigen FPÖ her.
  • Hans Achatz betonte Dinghofers Leistungen als Linzer Bürgermeister und bürgernahen Modernisierer.

Das Symposium wird in der Forschung als frühes Beispiel einer geschichtspolitischen Umdeutung interpretiert, in der Dinghofer als identitätsstiftende Figur des „dritten Lagers“ und als vermeintlich liberal-demokratischer Staatsmann rehabilitiert werden sollte.[35]

Aktuelle Kontroversen

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2019 wurde bekannt, dass Dinghofer 1940 der NSDAP beigetreten war. Das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) und das Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus legten dazu Archivbelege aus dem Bundesarchiv Berlin vor.[36] Die Enthüllung führte zu Kritik an einer kurz zuvor ausgestrahlten ORF-Dokumentation, in der Dinghofer als „Baumeister der Republik“ bezeichnet wurde, ohne auf seine Nähe zum Nationalsozialismus einzugehen.[37]

Im selben Jahr sorgte auch die Verleihung der sogenannten Dinghofer-Medaille an den Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann, für Diskussionen. Holzmann erklärte, er habe die 2017 verliehene Auszeichnung wegen Dinghofers organisatorischer Leistungen als Linzer Bürgermeister angenommen, ohne von dessen antisemitischer Haltung oder NSDAP-Mitgliedschaft zu wissen. Die Medaille wird vom Dinghofer-Institut unter FPÖ-Mandatar Martin Graf verliehen.[38]

Im November 2025 berichtete „Der Standard“, dass das FPÖ-nahe Dinghofer-Institut erneut ein Symposium im Parlamentsgebäude abhalten werde. Trotz Sparkurses des Parlaments solle die Veranstaltung unter dem Titel „Zensur und Ideologisierung – die Freiheit in Gefahr!“ stattfinden. Kritisiert wurde, dass es sich dabei um eine rechte Parteiveranstaltung handle, die fast ausschließlich von deutschnationalen Burschenschaftern getragen werde. In dem Bericht wurde an Dinghofers ideologische Haltung erinnert: Er sei ein „bekennender Antisemit, Burschenschafter und Mitglied der NSDAP“ gewesen und habe Juden als „die Volksgemeinschaft zersetzenden Fremdkörper“ bezeichnet. Seine Großdeutsche Volkspartei habe sich bereits vor der NS-Zeit selbst einen „Arierparagrafen“ auferlegt.[39] Einen Tag später veröffentlichten mehrere österreichische Zeithistoriker – darunter Oliver Rathkolb, Helmut Konrad, Dieter Binder und Dirk Rupnow – gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) einen offenen Brief, in dem sie die Absage der Veranstaltung forderten. Das Parlament werde damit „zum Ort des ehrenden Erinnerns an einen deklarierten Antisemiten und Nationalsozialisten“. Sie erinnerten daran, dass Dinghofer „ein glühender Antisemit“ gewesen sei, „der schon als Gemeinderat in Linz den ‚Auszug‘ der jüdischen Bevölkerung aus der Stadt vorschlug“.[40] Der frühere Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bezeichnete die Entscheidung seines Nachfolgers Walter Rosenkranz (FPÖ), die Veranstaltung im Parlament abzuhalten, als „bewusste Provokation“ und warnte vor „Geschichtsklitterung“. Auch Grüne und SPÖ übten scharfe Kritik und warnten vor einer Verharmlosung antisemitischer und revisionistischer Tendenzen. Die FPÖ wies die Vorwürfe zurück und sprach von einer „beispiellosen Geschichtsfälschung“ durch „linke Historiker und Meinungsmacher“.[41]

  • Uta Jungcurt: Alldeutscher Extremismus in der Weimarer Republik: Denken und Handeln einer einflussreichen bürgerlichen Minderheit. De Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-045477-2, S. 135 f.
  • Helge Dvorak: Biografisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I Politiker, Teilband 1: A–E. Heidelberg 1996, S. 205–206.
  • Fritz Mayrhofer: Franz Dinghofer – Leben und Wirken (1873–1956). In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1969. Linz 1970, S. 11–152 (online in drei Teilen: S. 11–50 (ooegeschichte.at [PDF; 5,9 MB]), S. 51–100 (ooegeschichte.at [PDF; 7,6 MB]), S. 101–152 (ooegeschichte.at [PDF; 7,6 MB])).
  • Harry Slapnicka: Franz Dinghofer. In: Harry Slapnicka/Franz Steinmaßl: Berühmte Persönlichkeiten aus dem Mühlviertel und dem Böhmerwald, Band 2, Edition Geschichte der Heimat, Grünbach 2004, ISBN 3-902427-14-0, S. 145–148.
  • Walter Schuster: Franz Dinghofer (1873–1956). Vom deutschnationalen Politiker zum Präsidenten des Obersten Gerichtshofes. In: Archiv der Stadt Linz (Hrsg.): Jahrbuch der Stadt Linz 2019. Linz 2019, S. 469–512. (PDF; 2,5 MB).
  • Margit Reiter: Die Ehemaligen. Der Nationalsozialismus und die Anfänge der FPÖ. Wallstein, Göttingen 2019, ISBN 978-3-8353-3515-8.
  • Andreas Huber, Linda Erker, Klaus Taschwer: Der Deutsche Klub. Austro-Nazis in der Hofburg. Czernin, Wien 2020, ISBN 978-3-7076-0651-5. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)

Einzelnachweise

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  1. Ottensheim Taufen / Duplikate 1873 / 106/1873. 3. Zeile. In: Matricula Online. Abgerufen am 3. Februar 2020.
  2. Angeblicher „Baumeister der Republik“ war Nationalsozialist. In: ots.at. Abgerufen am 29. November 2022.
  3. a b c Mayrhofer 1970, S. 13.
  4. Willy Nolte (Hrsg.): Burschenschafter-Stammrolle. Verzeichnis der Mitglieder der Deutschen Burschenschaft nach dem Stande vom Sommer-Semester 1934. Berlin 1934, S. 86.
  5. Helge Dvorak: Biografisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I Politiker, Teilband 1: A–E. Heidelberg 1996, S. 205.
  6. a b Mayrhofer 1970, S. 15.
  7. Biografie zu Franz Dinghofer auf dem Server des Bundeslandes Oberösterreich.
  8. Mayrhofer 1970, S. 40–57 (Kapitel „Das Verkehrswesen“).
  9. Mayrhofer 1970, S. 57–59 (Kapitel „Die Kommunalisierung des Gaswerkes“).
  10. Mayrhofer 1970, S. 73 f., 82.
  11. Franz Dinghofer – Biographie. (PDF) In: Archiv der Stadt Linz. S. 485, abgerufen am 4. November 2025.
  12. Daniela Ellmauer, Michael John, Regina Thumser (Hrsg.): „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Oberösterreich, Band 11 (= Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Band 17). Verlag Oldenbourg, Wien/München 2004, ISBN 3-7029-0521-9, S. 44f.
    Michael John: Bevölkerung in der Stadt. „Einheimische“ und „Fremde“ in Linz. (19. und 20. Jahrhundert). Archiv der Stadt Linz, Linz 2000, ISBN 3-900388-80-6, S. 141.
  13. a b Mayrhofer 1970, S. 18.
  14. Othmar Rappersberger: Auch sie waren einmal an unserer Schule – Dr. Franz Dinghofer. In: 118. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Freistadt. Eigenverlag, Freistadt 1988.
  15. a b c Andreas Huber, Linda Erker, Klaus Taschwer: Der Deutsche Klub. Austro-Nazis in der Hofburg. Czernin, Wien 2020, ISBN 978-3-7076-0651-5, S. 97 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  16. Mayrhofer 1970, S. 128 f. (Kapitel „Der Rücktritt als Justizminister“).
  17. Mayrhofer 1970, S. 19.
  18. a b Mayrhofer 1970, S. 20.
  19. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/6391205
  20. Mauthausen Komitee und Antifa-Netzwerk decken Skandal auf: Angeblicher „Baumeister der Republik“ war Nationalsozialist. In: mkoe.at (Mauthausen Komitee Österreich). 14. März 2019, abgerufen am 15. März 2019.
  21. a b Colette M. Schmidt, Harald Fidler: Mauthausen-Komitee kritisiert Dinghofer-Doku. In: derstandard.at. 14. März 2019, abgerufen am 15. März 2019.
  22. Margit Reiter: Die Ehemaligen. Göttingen 2009, S. 124.
  23. Franz Dinghofer – Biographie. (PDF) In: Archiv der Stadt Linz. S. 495, abgerufen am 4. November 2025.
  24. Fritz Mayrhofer: Franz Dinghofer. Dissertation, Universität Wien 1968; ders.: Franz Dinghofer. In: Oberösterreichische Heimatblätter. Jg. 22 (1968), S. 257–264.
  25. Harry Slapnicka: Oberösterreich – Die politische Geschichte des Landes von 1918 bis zur Gegenwart. Linz 1987; ders.: Oberösterreich – Geschichte und Politik. Linz 2010.
  26. Franz Dinghofer – Biographie. (PDF) In: Archiv der Stadt Linz. S. 491, abgerufen am 4. November 2025.
  27. Franz Dinghofer – Biographie. (PDF) In: Archiv der Stadt Linz. S. 491, abgerufen am 4. November 2025.
  28. Angeblicher „Baumeister der Republik“ war Nationalsozialist. In: OTS.at. Abgerufen am 4. November 2025.
  29. Margit Reiter: Die Ehemaligen. Der Nationalsozialismus und die Anfänge der FPÖ. Göttingen 2009, S. 124.
  30. Franz Dinghofer – Biographie. (PDF) In: Archiv der Stadt Linz. S. 510 f., abgerufen am 4. November 2025.
  31. Dinghofer Institut. Studiengesellschaft für Politikforschung. Webpräsenz des Dinghofer-Instituts. Abgerufen am 3. Februar 2020.
  32. Grüne wollen Umbenennung der Dinghoferstraße. In: ooe.orf.at. 14. März 2019, abgerufen am 15. März 2019.
  33. Geehrt und im Parlament gewürdigt: Der antisemitische „Baumeister der Republik“ Dinghofer. In: semiosis.at. 13. Februar 2019, abgerufen am 15. März 2019.
  34. Dinghofer-Symposium 2010. In: Dinghofer-Institut – Studiengesellschaft für Politikforschung. Abgerufen am 4. November 2025.
  35. FPÖ-TV: Dinghofer-Symposium 2010. In: YouTube. Abgerufen am 4. November 2025.
  36. Mauthausen Komitee und Antifa-Netzwerk decken Skandal auf: Angeblicher „Baumeister der Republik“ war Nationalsozialist. In: MKÖ. 14. März 2019, abgerufen am 4. November 2025.
  37. Colette M. Schmidt, Harald Fidler: Mauthausen-Komitee kritisiert Dinghofer-Doku. In: Der Standard. 14. März 2019, abgerufen am 4. November 2025.
  38. Dinghofer-Medaille: Holzmann wusste nichts von Antisemitismus. In: Der Standard. 7. November 2019, abgerufen am 4. November 2025.
  39. Colette M. Schmidt, Fabian Schmid: Parlament lädt trotz Sparkurses zu rechtem Dinghofer-Symposium. In: Der Standard. 3. November 2025, abgerufen am 4. November 2025.
  40. Fabian Schmid: Historiker warnen: FPÖ ehrt im Parlament Antisemiten Dinghofer. In: Der Standard. 4. November 2025, abgerufen am 4. November 2025.
  41. Historiker warnen: FPÖ ehrt im Parlament Antisemiten Dinghofer. In: Der Standard. 4. November 2025, abgerufen am 4. November 2025.
VorgängerAmtNachfolger
Gustav EderBürgermeister von Linz
1907–1918
Karl Sadleder