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Adolph Murie

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Adolph Murie am Muldrow-Gletscher in Alaska, 1939

Adolph Gustav („Ade“) Murie (* 6. September 1899 in Moorhead, Minnesota; † 16. August 1974 in Moose, Wyoming) war ein US-amerikanischer Wildtierbiologe und Naturschützer. Er gilt als der erste Wissenschaftler, der freilebende Wölfe und deren Interaktion mit anderen Arten in ihrem natürlichen Habitat beobachtete.[1] Sein 1944 in einer Schriftenreihe des National Park Service publizierter Bericht The Wolves of Mount McKinley trug entscheidend dazu bei, dass die Wölfe in den USA nicht – wie zuvor – als Schädlinge abgeschossen wurden.[2][3]

Adolph Murie war der Sohn skandinavischer Einwanderer. Seine Mutter Marie war in zweiter Ehe mit seinem Vater, Ed Winstrom, verheiratet, da ihr Mann aus erster Ehe, Joachim Murie, mit dem sie zwei Kinder hatte, 1895 verstorben war. Nachdem Ed Winstrom 1899, sechs Wochen nach der Geburt von Adolph (dessen Geburtsname Adolf lautete), gestorben war, musste sich die Mutter allein um ihn, seine zwei Brüder und eine adoptierte Schwester kümmern. Die Mutter behielt für sich, Adolf und die anderen Kinder den Familiennamen Murie bei; Adolf änderte später auch amtlich seinen Familiennamen in Murie und wählte zudem die Schreibweise Adolph als Vorname.[4]

Schon als Grundschulkind musste er zum Unterhalt der Familie beitragen, indem er Milch ihrer Kuh an Nachbarn auslieferte und später den Gemüsegarten versorgte.[5] Nach dem Besuch von Grundschule und High School in Moorhead besuchte Murie das Fargo College in Fargo, North Dakota, auf der Moorhead gegenüber liegenden Seite des Red River of the North und – nachdem dieses 1922 wegen finanzieller Probleme geschlossen worden war – das Concordia College in Moorhead, wo er bis 1925 Biologie studierte. Ab 1926 besuchte er die University of Michigan und erwarb dort 1929 den Doktor-Grad (Ph.D.) mit einer Studie über die ökologischen Besonderheiten von Unterarten der Weißfußmäuse (Peromyscus).[2]

Adolph Murie war seit September 1932 mit Louise Gillette (1912–2012) verheiratet. Das Paar hatte zwei Kinder.[5] Sein älterer Bruder war der Biologe Olaus Murie (1889–1963), der ab 1924 mit Margaret Murie verheiratet war. Die Ranch in Teton County (Wyoming), die beiden Familien gemeinsam gehörte, wurde 1997 wegen der nationalen Bekanntheit ihrer Bewohner als einflussreiche Wissenschaftler und für ihre Rollen als Mitwirkende an der Naturschutzbewegung in den Vereinigten Staaten zum Historic District („Murie Ranch Historic District“) und 2006 zur National Historic Landmark erklärt.[6][7]

Kojote im Yellowstone-Park.
Aufnahme von Adolph Murie, 1940.
Timberwolf mit Hinterviertel vom Rentier im Denali-Nationalpark, 2010

Bereits Anfang der 1920er-Jahre hatte Adolph Murie als Assistent seines Bruders Olaus für den U.S. Biological Survey (einen Vorläufer des United States Fish and Wildlife Service) im Mount McKinley National Park (heute: Denali-Nationalpark)[A 1] in Alaska über Rentiere gearbeitet. Sein Studium an der University of Michigan verdiente er sich in den Sommermonaten als Ranger im Glacier-Nationalpark in den Rocky Mountains. Nach Abschluss des Promotionsstudiums wurde er 1929/30 beauftragt, den Bestand der Elche auf der Isle Royale zu evaluieren. Deren Bestand hatte sich so stark vergrößert, dass ihre Futterpflanzen nahezu erschöpft waren und die Tiere zeitweise hungerten.[8] In seinem Bericht The Moose of Isle Royale empfahl er 1934, die Elchpopulation entweder durch Jagd oder durch das Einführen von Raubtieren zu reduzieren. Er wies zudem darauf hin, dass die Insel hervorragend geeignet sei für den Status eines Nationalparks; tatsächlich wurden die Insel und ihre Umgebung 1940 zum Isle-Royale-Nationalpark erklärt. Muries Forschung wurde ab 1958 – nachdem Wölfe die Insel erreicht hatten – von Durward Allen fortgesetzt. Bis in die Gegenwart ist es laut Beobachtungen des Isle Royale Wolf-Moose Project hingegen nicht gelungen, ein stabiles Gleichgewicht zwischen Elchen und Wölfen zu etablieren.[9][10][11]

Es folgte eine Studie im Auftrag der University of Michigan über in Gefangenschaft lebende Hirsche und 1934 schließlich eine Anstellung als Wildtierbiologe beim National Park Service (NPS).

Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als der NPS sich immer stärker für die Erhaltung intakter Ökosysteme einsetzte und – entgegen weitverbreiteter gegenteiliger Überzeugungen – von seinem überkommenen Fokus auf die Raubtierbekämpfung abrückte. Hierzu trug Murie durch seine Forschung über die Ecology of the Coyote in the Yellowstone („Die Ökologie der Kojoten im Yellowstone [Park]“) bei, insbesondere aber ab 1939 durch seine mehrjährige Studie über die befürchtete Bestandsgefährdung der Dall-Schafe durch Wölfe im Mount McKinley National Park. Murie kam 1944 in seiner Studie über The Wolves of Mount McKinley („Die Wölfe des Mount McKinley“) zum einen zu dem Schluss, dass der Rückgang der Schafpopulation durch ungünstige Witterung im Spätwinter und nicht durch Wolfsangriffe verursacht worden war, und er belegte zum anderen, dass Raubtiere eine wichtige Rolle in einem intakten Ökosystem spielen. Seine Beobachtungen und Daten hatten zur Folge, dass die Parkverwalter die Raubtierbekämpfung im McKinley-Park und im Yellowstone-Park einstellten.[2] Eine weitere Studie galt den Grizzlies of Mount McKinley („Die Grizzlybären des Mount McKinley“).

Zuletzt war er bis zur Pensionierung 1965 im Hauptquartier des Crater-Lake-Nationalparks in Medford (Oregon) angestellt. Auch in diesen Jahren verbrachte er jeden Sommer in Alaska mit Wildtierstudien und schrieb im Winter in Medford seine Forschungsergebnisse nieder.

Schriften (Auswahl)

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  • The Grizzlies of Mount McKinley (= Scientific Monograph Series. Nr. 14). National Park Service, Washington D.C. 1981, ISBN 0-295-80270-7 (Volltext PDF). Posthum bearbeitet von seinem Sohn Jan O. Murie.
    • The Grizzlies of Mount McKinley. Neuausgabe. University of Washington Press in Zusammenarbeit mit Alaska Natural History Association, 1985, ISBN 978-0-295-96204-7.
  • Birds of Mount McKinley National Park, Alaska. Mount McKinley Natural History Association, 1963.
  • A Naturalist in Alaska. The Devin-Adair Company, New York 1961. Ausgezeichnet mit John-Burroughs-Medaille 1963.
  • The Wolves of Mount McKinley (= Fauna of the National Parks of the United States, Fauna Series. Nr. 5). National Park Service, Washington D.C. 1944 (Volltext PDF).
    • The Wolves of Mount McKinley. Neuausgabe. University of Washington Press in Zusammenarbeit mit Alaska Natural History Association, 1985, ISBN 0-295-96203-8.
  • Ecology of the Coyote in the Yellowstone (= Fauna of the National Parks of the United States. Bulletin Nr. 4) National Park Service, Washington D.C. 1940 (Volltext)
  • Following Fox Trails. (= Museum of Zoology, Miscellaneous Publications. Nr. 32). University of Michigan Press, Ann Arbor 1936, Volltext (PDF).
  • The Moose of Isle Royale (= Museum of Zoology, Miscellaneous Publications. Nr. 25). University of Michigan Press, Ann Arbor 1934, Volltext (PDF).
  • The ecological relationships of two subspecies of Peromyscus in the Glacier Park region, Montana. (= Occasional Papers of the Museum of Zoology Nr. 270). University of Michigan Museum of Zoology, Ann Arbor 1933 (Volltext PDF).
  1. „Mount McKinley“, der höchste Berg Nordamerikas, wurde 1897 nach US-Präsident William McKinley benannt; „Denali“ war (und ist seit 1975 wieder) die Bezeichnung des Berges in der Sprache des nordamerikanischen Indianerstammes Koyukon, was „der Große“ oder „der Hohe“ bedeutet.
  1. A Brief History of Wolf Research. (Memento vom 21. Juni 2010 im Internet Archive). Im Original publiziert in International Wolf – A Publication of the International Wolf Center, Sommer 2002, S. 9.
  2. a b c Adolph Murie: Wildlife Biologist, Conservationist. Auf dem Webserver des National Park Service, August 2017, abgerufen am 15. September 2025.
  3. Bekannte Wolfs-Forscher: Adolph Murie. Auf: chwolf.org, abgerufen am 15. September 2025.
  4. John J. Little: A Wilderness Apprenticeship: Olaus Murie in Canada, 1914–15 and 1917. In: Environmental History. Band 5, Nr. 4, 2000, S. 542, Fußnote 6, doi:10.2307/3985585.
  5. a b Louise Murie MacLeod: Adolph Murie – extraordinary naturalist. National Park Service: Person of the Month vom Februar 1982.
  6. Murie Ranch Historic District, Teton County, WY. (Memento vom 13. April 2008 im Internet Archive). Im Original publiziert auf dem Server des National Park Service, abgerufen am 15. September 2025.
  7. Grand Teton National Park: Murie Ranch.
  8. History of the Isle Royale Mammals. National Park Service, 2002; abgerufen am 16. September 2025.
  9. Isle Royale Wolf-Moose project. isleroyalewolf.org, abgerufen am 15. September 2025.
  10. Predator and Prey, a Delicate Dance. (Memento vom 9. Mai 2013 im Internet Archive). Im Original publiziert in New York Times vom 8. Mai 2013.
  11. Restocking wolves on Isle Royale raises questions about which species get rescued. Überlegungen zur Freisetzung von Wölfen aus dem Jahr 2018 mit einer Grafik zur Ersten Lotka-Volterra-Regel, abgerufen am 16. September 2025.